Stil – der Versuch einer Definition


Wenn es um Ringelshirts (siehe dieser ausführliche Artikel) und weitere Zweifelsfälle unter den Klamotten geht, stellt sich häufig die Frage, wie man Stil eigentlich definieren könnte.

In der Werbung ist Stil präsent, in der Alltagssprache ist es schick, dieses Wort in den Mund zu nehmen, und sogar in manchen Stellenanzeigen wird von den Bewerbern Stil verlangt. Aus dem Vokabular zur Beschreibung und Klassifizierung schöner Künste wie Malerei, Musik, Bildhauerei oder Dichtung ist das Wort Stil ohnehin nicht wegzudenken. Auch Wohnungen können mit Stil eingerichtet werden, Websites können stilvoll oder geschmacklos sein – oder irgendetwas dazwischen. Auch die Wortwahl kann Stil haben oder diesen missen.

Doch wie könnte man Stil definieren?

Coco Chanel sagte zum Thema Stil Folgendes:

„Die Mode wird unmodisch. Stil hingegen niemals.“

Mein eigener Versuch einer Definition:

Als Stil bezeichnet man die Eigenschaft bei einer Entscheidung guten Geschmack walten zu lassen, wobei Stil an bestimmten Werten der jeweiligen Kultur gemessen wird: das rechte Maß zu finden und gleichzeitig Klischees nicht zu entsprechen sondern diesen entgegenzuwirken, stereotypen Erwartungen zu widersprechen, dabei aber nicht zu sehr zu übertreiben. Stil muss sich nicht unbedingt auf Äußerlichkeiten beziehen – der Charakter eines Menschen mit guten Umgangsformen kann Stil haben, eine Person kann mit gutem sprachlichen Stil schreiben.

Sogar weniger ästhetische Dinge können Stil besitzen: Jemand kann auf hochhackigen Schuhen stilvoll hinfallen, eine Katze kann ihr Geschäft mit Stil verrichten. Wahrscheinlich hat die Ausprägung von Stil auch etwas mit Häufigkeit und Gewöhnlichkeit zu tun: Je häufiger etwas vorkommt und je gewöhnlicher es ist, desto weniger Aufmerksamkeit wird der Sache gewidmet. Und Aufmerksamkeit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Stil wahrgenommen werden kann.

Es zeigt sich: Trotz der vielseitigen Anwendungsbereiche ist der Inhalt dieses Wortes nur sehr schwer greifbar.

Was ist das Gegenteil von Stil?

Das Gegenteil von Stil ist Stillosigkeit oder auch Geschmacklosigkeit. Wenn jemand Zumba-Schuhe zu einem schwarzen Abendkleid trägt (oder Espadrilles zur gebügelten Faltenhose), läuft er (sie) Gefahr, als stillos zu gelten. Ebenso kann jemandem allein die Entscheidung für eine bestimmte Schuhart (besonders heikel: Fivefingers und Moonboots) als Mangel an Stil ausgelegt werden, wenn der jeweilige Schuh zu auffällig ist oder von der modischen Obrigkeit gerade als völlig „out“ erklärt wurde.

Wie kann man guten Stil wahren bzw. Geschmacklosigkeit vermeiden?

Wer stets zeitlose Evergreens wie Schuhe in gedeckten Farben und unauffälligen Formen trägt, muss zwar einerseits darauf verzichten im Trend zu liegen, doch geht er andererseits kein Risiko ein, als geschmacklos abgestempelt zu werden. Manchem kann es allerdings auf Dauer zu langweilig sein, immer nur Hochfrontpumps zu tragen; der Kick des Provokativen fehlt, und manchmal lassen sich Stimmungen in Kombination mit der richtigen Kleidung besser ausleben, ja sogar intensivieren. Eine Ausnahme stellen jene Menschen dar, für die Kleidung nichts weiter als Körperbedeckung ist und die ihren Stil den praktischen Bedürfnissen den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Sie leben ihren Stil nicht in Bezug auf Ästhetik aus, sondern wenden ihn auf auf weniger Offensichtliches an – Sprache, Charakter, Arbeitsweise usw.

Der individuelle Stil

Unabhängig davon, ob jemand einen guten Geschmack besitzt oder nicht, spricht man von einem persönlichen Stil (ein ausführlicher Artikel hierzu befindet sich bereits im Damenschuhlexikon). Wer sich nicht an gängige Ratgeber (wie etwa diesen hier) halten will, kann seinen eigenen, völlig individuellen Stil entwickeln: Er oder sie kann Moden anderer Kulturen nachahmen und durch eigene Ideen erweitern, er kann bewusst Moderegeln brechen, auffallen, provozieren und sich für seinen Mut zum Regelbruch, der anhand der kreativen Stilentscheidung geschieht, bewundern lassen.

Bild: Rosel Eckstein /pixelio.de