Anglizismen im Wortschatz der Schuhe

ein altes SchuhlexikonWer im Damenschuhlexikon die Liste der Schuharten überfliegt, wird innerhalb von Sekunden realisieren, dass der Wortschatz der Schuhe sehr reich an Anglizismen ist – Ankle Boots, Sneakers, Slingpumps, Fivefingers, Chap-Boots und wie sie alle heißen. Dieses Denglisch, das nicht nur im Schuhbereich, sondern auch allgemein in der Bezeichnungswelt der Mode aufzufinden ist, gab es noch nicht immer in dieser Ausprägung:

Ich hatte die Gelegenheit, ein antiquarisches Schuhlexikon aus der ehemaligen DDR kaufen zu können, welches im Jahre 1956 veröffentlicht wurde, und anhand dieses Buchs eine Reise in die Geschichte der Schuhe zu wagen sowie eine kleine Analyse in Bezug auf die dort verwendeten Anglizismen anzustellen. Dieses Schuhlexikon, welches von Erich Lubig verfasst wurde, geht auf Begriffe aus dem Schuhmacherhandwerk ein und führt unter anderem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gängige Schuharten auf. Allerdings liegt der Schwerpunkt dieses Schuhlexikons nicht auf den Schuhbezeichnungen, sondern eher auf dem Vokabular bezüglich der Technik, den für das Schuhmacherhandwerk benötigten Geräten und gängigen Herstellungsverfahren.

Anglizismen in einem Schuhlexikon von 1956

Ich habe dieses Schuhlexikon in Bezug auf Anglizismen untersucht und war teilweise recht überrascht über die Wörter, die ich gefunden habe. Zuerst will ich jedoch auf das übrige bemerkenswerte Vokabular dieses Buches eingehen. Durchforstet man dieses Buch, finden sich viele Wörter, die heute fremdartig anmuten: Die Walkfilzschaftstiefel, die Mikadoschuhe, die Kreuzspangenschuhe, die Griechensandale, den Geherschuh oder den Laschenschuh kennt man heute nicht mehr, und die Opanke ist recht selten geworden. Es wäre heute auch nicht mehr zutreffend, einen Spangenschuh als ‚beliebten Schuh für ältere Frauen‘ zu bezeichnen.

Es finden sich in diesem alten Schuhlexikon jedoch auch viele Begriffe, die auch heute noch gängig sind, etwa Pumps (welche dort als „ausgesprochener Damenschuhtyp“ bezeichnet werden), Gymnastikschuhe, Gamaschen, Schnürschuhe und andere Schuhbezeichnungen.

Andererseits fehlen sehr viele Anglizismen, die wir heute ganz selbstverständlich verwenden, als hätten sie seit jeher zur deutschen Sprache gehört, etwa Boots oder High Heels und verständlicherweise Begriffe wie Sneakers und Moonboots.

Welche Anglizismen beinhaltet dieses alte Schuhlexikon in Bezug auf die Schuhbezeichnungen?

Bezüglich der Bezeichnung der einzelnen Schuhtypen führt das alte Buch bereits einige Anglizismen auf: Die Clogs, den Trainingsschuh, die Slipper, den Derby und die Elevator-Schuhe (welche als Herrenschuhe mit Absatz dazu dienen, Herren größer zu machen). Auch die California-Schuhe, die Babyschuhe, Cocktailschuhe oder Cowboy-Stiefel haben eigene Lexikoneinträge.

Nach dieser kurzen Betrachtung stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die englischen Schuhbezeichnungen, die das Damenschuhlexikon gesammelt hat, eigentlich in unserem alltäglichen Sprachgebrauch haben.

Verwenden wir diese Anglizismen im aktiven Sprachgebrauch?

Als ich in meiner mündlichen Magisterprüfung zum Thema Anglizismen geprüft wurde, fiel mir der Bereich der Schuhbezeichnungen nicht sofort als geeignetes Beispiel ein. Warum? Weil dieser Bereich für mich etwas Alltägliches ist. Wer jedoch nicht täglich mit Wörtern aus dem Wortschatz der Schuhe konfrontiert wird und sich auf den eigenen Sprachgebrauch besinnt, dem wird auffallen, dass viele von uns auch heute deutschsprachige Schuhbezeichnungen den Anglizismen vorziehen.

Aus Pumps werden dann Stöckelschuhe, aus den High Heels werden hochhackige Schuhe und aus den Sneakers Turnschuhe. Ein Wort wie Ankle Boots nehmen noch viel weniger in den Mund: Diese Schuhe nennt man viel lieber Stiefeletten. Wenn es gerade keine Rolle spielt, wie die Schuhe aussehen, wird man eher den Basisbegriff bevorzugen (Beispiele: „Anna und ich gehen heute Schuhe kaufen“ statt „Anna und ich gehen heute Ankle Boots kaufen“ oder „Ich habe mir heute schöne Schuhe gekauft“ statt „Ich habe mir heute schöne Moonboots gekauft“). Will man die Slingpumps tatsächlich exakt bezeichnen, ziehen viele das Wort Riemchenpumps vor oder nennen diese Schuhe einfach Schuhe mit Riemen.

Warum tun wir das? Vermutlich aufgrund der Tatsache, dass wir uns verständlich ausdrücken wollen und unserem Gegenüber die englischen Fachausdrücke womöglich fremd sind. Ein anderes triftiges Argument für die Meidung von Anglizismen im mündlichen Sprachgebrauch mag in der generell verbreiteten Bequemlichkeit der Sprachnutzer liegen, in Ausspracheunsicherheiten oder – wenn Anglizismen von demjenigen sonst eher gemieden werden –  in dem Bedürfnis „authentisch“ zu sprechen.

Anglizismen können dazu dienen fachliche Kompetenz unaufdringlich zum Ausdruck zu bringen

Völlig anders gestaltet sich die Anglizismen-Praxis unter modisch Versierten: Dort ist der Anglizismus ein Indiz für die Expertise der Person, denn nicht jeder kann Peeptoe-Ankle-Boots als solche identifizieren. So können Anglizismen dazu dienen die eigene fachliche Kompetenz sprachlich zum Ausdruck zu bringen und sich von Laien abzugrenzen – und das völlig unaufdringlich. Diese Tendenz der bevorzugten Anglizismen-Verwendung unter Experten ist im Übrigen auch in anderen Wissensgebieten zu beobachten. Ein Paradebeispiel hierfür ist der IT-Bereich.